„Die Kinder sollen später ein möglichst normales Leben führen.“ In ausführlichen Gesprächen erklärt Tumororthopäde Prof. Dr. Hillmann seinen jungen Patienten, welche Therapie möglich ist. Prof. Dr. Axel Hillmann ist seit vielen Jahren im medizinischen Beirat von Her- zenswünsche e.V. Sein Spezialgebiet sind gut- und bösartige Tumorerkrankungen an den Knochen sowie an den Weichteilen wie Muskeln, Bändern, Blutgefäßen oder Fettgewebe. In seinem Fachgebiet gilt Prof. Dr. Hillmann bundesweit als führender Experte. Im Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg leitet der Tumororthopäde eine der seltenen Spezialabteilungen in Deutschland für Sarkome und Muskuloskelettale Tumore. Herr Prof. Hillmann, wie lange dauert es nach Ihren Erfahrungen von den ersten Beschwerden bis zur Diagnose? Manchmal leider zu lange. Ich rate dazu, Knochenschmerzen bei Kindern und Jugend- lichen ernst zu nehmen und sie nicht vor- schnell als Wachstumsschmerzen abzutun. Das gilt vor allem, wenn Schwellungen auf- treten. Fieber, Gewichtsabnahme, Leistungs- schwäche, aber auch Müdigkeit begleiten die Beschwerden. Von den ersten Symptomen bis zur endgültigen Diagnose der Erkrankung können wenige Wochen bis einige Monate vergehen. Wenn bei Kindern und Jugend - lichen Schmerzen auftreten, die nicht auf eine Verletzung oder eine Überlastung zu- rückzuführen sind, sollte nicht länger als vier Wochen gewartet werden, bis man zum Arzt geht. Welche Therapieoptionen gibt es? Sarkome treten sehr selten auf, und die Tumortypen von Sarkomen sind äußerst un- terschiedlich. Die Behandlung ist interdiszip- linär. Experten verschiedener medizinischer Fachrichtungen sind daran beteiligt. Bei den bösartigen Tumoren setzen wir auf eine Kombination aus Operation, Chemotherapie und Strahlentherapie. Mein Ziel als Chirurg ist, den Primärtumor vollständig zu ent fer - nen. Gleichzeitig soll die Operation auf die Funktion und das Aussehen des betroffenen Körperteils möglichst wenig Auswirkung haben. Die Kinder sollen später ein möglichst normales Leben führen. Knochenkrebs erfordert nicht unbedingt eine Amputation. Sie nutzen eine welt- weit seltene und anspruchsvolle OP-Tech- nik, die Umkehrplastik. Was muss ich mir darunter vorstellen? Stellen wir uns ein fünfjähriges Kind vor, das im Oberschenkelknochen einen lebensbe- drohlichen Tumor hat, der komplett entfernt werden muss. Bei der Umdrehplastik wird der tumortragende Teil des Beins entfernt: In Höhe des Oberschenkels, oberhalb des Tumors, und in Höhe des Unterschenkels, al- so unterhalb des Tumors. Das Einzige, was nicht durchtrennt werden darf, ist der Nerv. Oberschenkel- und Unterschenkelknochen werden verbunden und so verkürzt, dass das Sprunggelenk die Funktion des Kniegelenks übernimmt. Der Fuß schaut dabei nach hin- ten und kann die Prothese steuern. Der gro- ße Vorteil ist, dass die Nervenversorgung weiter existiert und das Kind keine Gefühls- einbußen hat und seine Prothese außerge- wöhnlich gut steuern kann. In der Neutral- position des Fußes kann es sitzen und in der gestreckten Position kann es gehen, stehen oder liegen. Dieses Verfahren sichert den Pa- tienten eine deutlich höhere Lebensqualität als die herkömmliche Vollamputation. Sie können viele Sportarten ausüben: surfen, snowboarden, Tennis spielen, reiten – das alles geht. Unter meinen ehemaligen Patien- ten sind sogar zwei Paralympics-Teilnehmer, die Medaillen gewonnen haben. Sie halten zu vielen Ihrer Patienten Kon- takt und wissen daher von ihrer Entwick- lung nach der Operation. Wie kommen die Kinder mit der Umkehrplastik zurecht? Sehr gut, sie ist schnell ein integraler Be- standteil ihres Lebens. Vor allem deshalb, weil es weniger Komplikationen mit der Umkehrplastik gibt. Die gefürchteten Infek- tionen, die bei Prothesen vorkommen, sind kein Thema. Es berührt mich sehr, wenn mei- ne Patienten mich auch viele Jahre nach der Operation an ihrem Leben teilhaben lassen. Daraus ziehe ich eine große Motivation. Was verbindet Sie mit Herzenswünsche? Die Arbeit des Vereins ist durch und durch von Zuversicht und Hoffnung geprägt. Hier kümmert man sich um Herzensangelegen- heiten – ein ganz anderer, aber unglaublich wichtiger Ansatz, Krankheiten mit zu behan- deln. Genau das brauchen die Kinder und Jugendlichen in schweren Zeiten. Herzens- wünsche hilft ihnen, ins Leben zurückzu - finden.